Widerklang ist eine neue Veranstaltungsreihe von operationderkuenste, die sich mit Musik als Mittel des politischen Widerstands beschäftigt. Wir wollen Musik von Menschen, die nicht musizieren durften oder dürfen – vor allem Musik von Frauen* und anderen unterdrückten Geschlechtern – eine Bühne geben. Den Auftakt der Reihe bildet eine Performance zu Ilse Webers Liederzyklus “Ich wandre durch Theresienstadt” am 27. Januar 2023 (Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus).
Wir brechen mit einem klassischen Konzertformat und bespielen die Flure der Universität der Künste Berlin. Damit stören wir bewusst den Studienalltag und bringen die Musik und Texte aus Theresienstadt auf direktem Weg in den Alltag der Studierenden, Angestellten und Besucher*innen. Wir wollen aktiv dem Vergessen entgegenwirken und hinterlassen Spuren, die als Erinnerungsstücke einen Platz in unserer Gegenwart finden sollen.
“ICH WANDRE DURCH THERESIENSTADT”
In der nationalsozialistischen Propaganda diente das Konzentrationslager Theresienstadt als das “Vorzeige-Ghetto”. Dieser Ausnahme-Status erlaubte den Häftlingen (teil sehr berühmten Künstler*innen) ein Kulturleben mit Konzerten und Opernaufführungen. Diese wurden jedoch immer wieder auch als Vorzeige- und Unterhaltungsshows für die SS-Soldaten instrumentalisiert und die Musiker*innen waren der ständigen Willkür der Nazis ausgeliefert.
“Musik in Theresienstadt, das war für mich eine ganz außerordentliche Erfahrung; es war, als ob Engel in der Hölle singen würden”, so eine Zeitzeugin über die Bedeutung von Musik in Theresienstadt.
Musik und gemeinsames Musizieren diente als kollektiver Zufluchtsort, Ausdruck von Leid und Sehnsucht, stärkte das Gemeinschaftsgefühl und konnte Trost spenden in dieser lebensfeindlichen Umgebung.
ILSE WEBER
Ilse Weber (1903, Witkowitz – 1944, Auschwitz-Birkenau) ist eine deutschsprachige Schriftstellerin. Während des Zweiten Weltkriegs ist die Jüdin gezwungen, mit ihrem Ehemann Willi Weber und ihren zwei Söhnen Hanuš und Tomáš die tschechoslowakische Heimatstadt Witkowitz zu verlassen. Der ältere Sohn Hanuš wird zu einer Freundin der Familie nach Schweden verschickt und überlebt dort den Krieg, die restliche Familie zieht nach Prag. Die Eltern, insbesondere Ilse Weber, versuchen, über regen Briefwechsel die Beziehung zu ihrem Sohn aufrechtzuerhalten.
1942 wird die Familie in das Konzentrationslager Theresienstadt deportiert, wo Ilse Weber beginnt in der Kinderkrankenstube zu arbeiten. In Liedern, Briefen und Gedichten erzählt Ilse Weber vom Alltag unter den Zwängen der NS-Diktatur, dem Schmerz über die Trennung von ihrem Sohn Hanuš und die Verzweiflung und Ungläubigkeit über das Ausmaß menschlicher Brutalität. Die Wiegenlieder, mit denen sie die Kinder in der Kinderkrankenstube in den Schlaf singt, schaffen Momente von Geborgenheit und Wärme. Als die Kinderkrankenstube im Herbst 1944 in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert wird, schließt sich Ilse Weber dem Transport freiwillig an und begleitet die Kinder, unter denen auch ihr Sohn Tomáš ist, in den Tod. Willi Weber überlebt den Krieg und kann das Werk seiner Frau, das er in Theresienstadt eingemauert hatte, in Sicherheit bringen und gemeinsam mit anderen Briefen, Gedichten und Liedern, die über verschiedene Wege nach dem Krieg auftauchen, veröffentlichen.
BETEILIGTE
Julian Croatto, Lili Hillerich, Lukas Kleitsch, Johanna Madden, Ludwig Michael, Carla van der Minde, Charlotte Riemann und Anna Schors
DANKE
“Ich wandre durch Theresienstadt” ist als Studienprojekt im Rahmen der Klasse Kampagnen der UdK Berlin entstanden. Vielen Dank an Prof. Barbara Kotte für die Unterstützung!
Außerdem vielen Dank an die Fachschaftsrätekonferenz der UdK Berlin für die finanzielle Förderung des Projekts.