figaro      
classique 
2020

figaro clas­si­que – s. pro­kof­jews sym­pho­nie clas­si­que und aus­zü­ge aus w.a. mo­zarts le nozze di figaro 

Das En­sem­ble ver­schmilzt ein wei­te­res Mal. Aber wie funk­tio­niert das in die­sen Zei­ten? Kein Durch­ein­an­der, kei­ne Be­rüh­rung, kein Mit­ein­an­der – kein Mit­ein­an­der wie sonst.
Wir zei­gen dies­mal kei­ne Oper – kei­ne zu­sam­men­hän­gen­de. Sie ist zer­ris­sen und so muss sie jetzt auch prä­sen­tiert wer­den. Aus wel­chen Nö­ten kön­nen wir ei­ne Tu­gend ma­chen und wel­che Ge­schich­te wol­len und kön­nen wir noch er­zäh­len?
Nä­he trotz Di­stanz. Wie kön­nen wir uns be­geg­nen, wenn wir di­stant sein müs­sen – wie die Ver­bin­dung zu­ein­an­der fühl­bar und er­leb­bar ma­chen? Das Or­ches­ter muss Ab­stand hal­ten; die Sänger*innen noch mehr. Wir sind ein­ge­schränkt in un­se­ren na­tür­li­chen Um­gangs­for­men, wol­len aber doch Aus­tausch und Ver­bin­dung mit­ein­an­der. Wie war es uns in den let­zen Mo­na­ten mög­lich, Kon­takt zu ha­ben? Was ha­ben wir ge­lernt durch die Kom­mu­ni­ka­ti­on in Vi­deo­calls?
Oder so­gar Nä­he durch Di­stanz? Hörst Du mich? Kannst Du mich se­hen? – So be­gin­nen die meis­ten Vi­deo­te­le­fo­na­te. Doch wie nah kann man sich durch ei­ne Netz­ver­bin­dung, an de­rer En­den zwei klei­ne run­de Ka­me­ras lie­gen, kom­men? Wann ist man nä­her, in­ti­mer, ehr­li­cher, ver­füh­re­ri­scher?
Ab­stän­de er­zeu­gen Span­nung – wir sind zum Spiel da­mit ge­zwun­gen. Rü­cken an Rü­cken, Wän­de, die uns tren­nen, di­gi­ta­le Räu­me, Maß­bän­der, Mas­ken, Hand­schu­he, mit Sicht, oh­ne Sicht, Re­qui­si­ten als Über­brü­ckung.
Auch Mo­zart und Pro­kof­jew sind 135 Jah­re von­ein­an­der ent­fernt und kom­men sich in die­ser Mu­sik auf ganz be­son­de­re Wei­se nah.
Mit­ten in der Auf­bruch­stim­mung der Rus­si­schen Re­vo­lu­ti­on wen­det sich Pro­kof­jew der Ver­gan­gen­heit zu und ver­bin­det in die­ser neo­klas­si­zis­ti­schen Sin­fo­nie Tra­di­ti­on, Iro­nie und zeit­ge­nös­si­sche Ton­spra­che.
Da­zu Le Nozze di Figaro, ein Werk, das ei­ner­seits als Mo­zarts voll­kom­mens­te Oper gilt, an­de­rer­seits aber auf­grund des für die da­ma­li­ge Zeit fort­schritt­lich kri­ti­schen Um­gangs mit dem Stoff gro­ßen Pro­ble­men mit der Zen­sur aus­ge­setzt war: Die ge­plan­te Hoch­zeit zwei­er Be­diens­te­ter, Su­san­na und Figaro, in­mit­ten von In­tri­gen, Klas­sen­den­ken und pa­tri­ar­cha­lem Macht­miss­brauch als zeit­lo­ser Spie­gel von Macht- und Be­zie­hungs­ver­hält­nis­sen in un­se­rer Ge­sell­schaft und der Über­for­de­rung, sich zwi­schen Lie­be, Trieb und Ver­stand zu­recht­zu­fin­den.
Der Con­te, ein Pa­tri­arch wie er im Bu­che steht, stellt sich der Hoch­zeit ent­ge­gen, da er sei­ner­seits Su­san­na be­gehrt – und den­noch ver­lo­ren wä­re oh­ne sei­ne Frau, die Cont­essa. Die­se weiß von sei­ner Un­treue, lei­det wahn­sin­nig un­ter sei­ner to­xi­schen Männ­lich­keit – und ver­zeiht doch im­mer wie­der all­zu leicht.
Da­zwi­schen steht das span­nungs­vol­le Ge­flecht der ihm Un­ter­ge­be­nen mit ih­ren kon­kur­rie­ren­den In­ter­es­sen, die sich in zwi­schen­mensch­li­chen Be­geg­nun­gen und Kon­flik­ten ent­la­den und so tief­men­sch­li­che Be­dürf­nis­se eben­so wie ur­alte, aber im­mer noch ak­tu­el­le ge­sell­schaft­li­che Miss­stän­de zei­gen.
Mit die­sen Fi­gu­ren und Kon­stel­la­tio­nen er­zäh­len wir un­se­re Be­geg­nun­gen, un­se­re Ge­schich­te: Auch die Fi­gu­ren der Oper sind aus­ein­an­der­ge­ris­sen wor­den und sind nun da­mit kon­fron­tiert, ih­re Ver­bin­dun­gen neu zu fin­den, neue Aus­drucks­for­men für ih­re Ge­füh­le aus­zu­tes­ten. Un­ser Ziel mit opera­tion­der­kuenste ist ei­ne Sym­bio­se der ver­schie­de­nen Kunst­for­men. Mit Figaro clas­si­que wa­gen wir et­was Neu­es und ma­chen das Or­ches­ter im Pro­kof­jew erst­mals zum Brenn­punkt des Ge­sche­hens und ge­ben ihm ei­ne Rol­le, die weit mehr be­inhal­tet als blo­ßes Mu­si­zie­ren. Fo­to­gra­fie und Vi­deo ge­sel­len sich zu Mu­sik und Schau­spiel. Ka­me­ra­bil­der neh­men das Pu­bli­kum mit; von der letz­ten Rei­he nach ganz vorne.

Die Be­set­zung fin­det ihr hier.

Un­ter me­dia gibt es Fo­tos un­se­rer Ar­beits­pha­se zu se­hen und hier ei­ne Kri­tik der nmz zu lesen.