figaro classique – s. prokofjews symphonie classique und auszüge aus w.a. mozarts le nozze di figaro
Das Ensemble verschmilzt ein weiteres Mal. Aber wie funktioniert das in diesen Zeiten? Kein Durcheinander, keine Berührung, kein Miteinander – kein Miteinander wie sonst.
Wir zeigen diesmal keine Oper – keine zusammenhängende. Sie ist zerrissen und so muss sie jetzt auch präsentiert werden. Aus welchen Nöten können wir eine Tugend machen und welche Geschichte wollen und können wir noch erzählen?
Nähe trotz Distanz. Wie können wir uns begegnen, wenn wir distant sein müssen – wie die Verbindung zueinander fühlbar und erlebbar machen? Das Orchester muss Abstand halten; die Sänger*innen noch mehr. Wir sind eingeschränkt in unseren natürlichen Umgangsformen, wollen aber doch Austausch und Verbindung miteinander. Wie war es uns in den letzen Monaten möglich, Kontakt zu haben? Was haben wir gelernt durch die Kommunikation in Videocalls?
Oder sogar Nähe durch Distanz? Hörst Du mich? Kannst Du mich sehen? – So beginnen die meisten Videotelefonate. Doch wie nah kann man sich durch eine Netzverbindung, an derer Enden zwei kleine runde Kameras liegen, kommen? Wann ist man näher, intimer, ehrlicher, verführerischer?
Abstände erzeugen Spannung – wir sind zum Spiel damit gezwungen. Rücken an Rücken, Wände, die uns trennen, digitale Räume, Maßbänder, Masken, Handschuhe, mit Sicht, ohne Sicht, Requisiten als Überbrückung.
Auch Mozart und Prokofjew sind 135 Jahre voneinander entfernt und kommen sich in dieser Musik auf ganz besondere Weise nah.
Mitten in der Aufbruchstimmung der Russischen Revolution wendet sich Prokofjew der Vergangenheit zu und verbindet in dieser neoklassizistischen Sinfonie Tradition, Ironie und zeitgenössische Tonsprache.
Dazu Le Nozze di Figaro, ein Werk, das einerseits als Mozarts vollkommenste Oper gilt, andererseits aber aufgrund des für die damalige Zeit fortschrittlich kritischen Umgangs mit dem Stoff großen Problemen mit der Zensur ausgesetzt war: Die geplante Hochzeit zweier Bediensteter, Susanna und Figaro, inmitten von Intrigen, Klassendenken und patriarchalem Machtmissbrauch als zeitloser Spiegel von Macht- und Beziehungsverhältnissen in unserer Gesellschaft und der Überforderung, sich zwischen Liebe, Trieb und Verstand zurechtzufinden.
Der Conte, ein Patriarch wie er im Buche steht, stellt sich der Hochzeit entgegen, da er seinerseits Susanna begehrt – und dennoch verloren wäre ohne seine Frau, die Contessa. Diese weiß von seiner Untreue, leidet wahnsinnig unter seiner toxischen Männlichkeit – und verzeiht doch immer wieder allzu leicht.
Dazwischen steht das spannungsvolle Geflecht der ihm Untergebenen mit ihren konkurrierenden Interessen, die sich in zwischenmenschlichen Begegnungen und Konflikten entladen und so tiefmenschliche Bedürfnisse ebenso wie uralte, aber immer noch aktuelle gesellschaftliche Missstände zeigen.
Mit diesen Figuren und Konstellationen erzählen wir unsere Begegnungen, unsere Geschichte: Auch die Figuren der Oper sind auseinandergerissen worden und sind nun damit konfrontiert, ihre Verbindungen neu zu finden, neue Ausdrucksformen für ihre Gefühle auszutesten. Unser Ziel mit operationderkuenste ist eine Symbiose der verschiedenen Kunstformen. Mit Figaro classique wagen wir etwas Neues und machen das Orchester im Prokofjew erstmals zum Brennpunkt des Geschehens und geben ihm eine Rolle, die weit mehr beinhaltet als bloßes Musizieren. Fotografie und Video gesellen sich zu Musik und Schauspiel. Kamerabilder nehmen das Publikum mit; von der letzten Reihe nach ganz vorne.
Die Besetzung findet ihr hier.
Unter media gibt es Fotos unserer Arbeitsphase zu sehen und hier eine Kritik der nmz zu lesen.